Sonderbericht/Gerätevorstellung Kuba Puszta Type 604
Und mal wieder ein geliebtes Familienerbstück welches zur Komplettinstandsetzung zu mir kam. Das volle Programm sollte gemacht werden. Instandsetzung Radioteil, Plattenspieler, Bluetoothnachrüstung und ein NOS magisches Auge EM34. Ohne Frage lohnenswert für diese wunderschöne und seltene Musiktruhe!
Es wurde direkt spannend, schon beim Ausbau des Radiochassis. Wie schon oft gesehen,war man vor Jahrzehnten recht schmerzfrei bei nachträglichen Elektroinstallationen. So begann der Ausbau des Radioteils schon abenteuerlich. Denn irgendwie gab es bei einem Blick ins innere eine Lüsterklemme mit merkwürdiger Belegung. Irgendwann wurde die Netzzuleitung mal gekappt und durch ein schönes, stoffummanteltes....Bügeleisenkabel ersetzt. Abgesehen davon das dieses heute bei jeder Bewegung deutliche Knackgeräusche (brechende, innere Isolierung) von sich gab, war wohl ein defekt des Originalkabels nicht der Grund des Wechsels. Ich brauchte einen Moment um durchzublicken.
Das am anderen Ende der Lüsterklemme befindliche Kabel war nämlich die original Zuleitung. Wer genau hinsieht, sieht das diese Leitung einmal geknickt und dann doppelt in die Klemme geführt wird. Also - Bügeleisenkabel als neue Zuleitung rein, zwei Leitungen raus.
Also...irgendwie... zwei Leitungen. Denn es war im Grunde nur eine. An der Stelle wo das Kabel in der Klemme steckt, wurde von beiden Adern einfach die Isolierung entfernt. Dann umgebogen und in der Klemme befestigt. So machte man früher wohl aus einer Leitung zwei.
Die spannende Frage: Wozu das ganze? Nun, ganz einfach. Es wurde eine Zusatzbeleuchtung ins Plattenspielerfach gelegt! Und auf diese Art gab es nun die neue Bügeleisenzuleitung und durch den "Trick' zwei Ableitungen. Eine zum Radio, eine zur neuen Beleuchtung. Ich gebe zu, vor dieser Krativlösung habe ich ja schon fast Respekt. Auf diesen Lösungsansatz wäre ich nie gekommen. Ich wäre wohl auch gar nicht auf den Gedanken gekommen, denn es gibt vom Werk aus schon eine Beleuchtung des Faches! Es war nur kein Birnchen mehr in der Fassung. Hier ein Blick "an die Decke" des Plattenspielerfachs vor Ausbau des ganzen Rummels und auf die Kreativlösung.
Nach Rücksprache mit meinem Kunden wurde die Zusatzleuchte wieder entfernt und das Original wieder genutzt. Die Zuleitung zum Radio wurde natürlich komplett erneuert. Das brüchige Bügeleisenkabel entfernt und alles war wieder Lüsterklemenfrei.
Aber schmerzfrei installieren konnte man offenbar auch schon ab Werk. Das muss ich einfach zeigen. Die im Gehäuse verlegten Kabel sind ja nur einfach isolierte Doppelleitungen. Welche entsprechend dicht beieinander liegen. Kuba hatte dennoch kein Problem damit, die Leitungen mittels Nagelhalter zu befestigen. Wobei die Nägel genau in die Kabelmitte gesetzt wurden! Das nenne ich mal Mut zur (fast nicht vorhandenen) Lücke. Entweder gab es dafür ein Spezialwerkzeug oder jemanden der sehr zielsicher gearbeitet hat. Aber wie so vieles, hat auch das jahrzehnte funktioniert. Manchmal denke ich, wir sind heute einfach viel zu ängstlich und übervorsichtig.
Dann kann ich mich ja jetzt mal der Instandsetzung des Radiochassis zuwenden.
Das war im Grunde unspektakulär. Die übliche Fleißarbeit des Reinigens, Kondensatorwechsels, Röhrenprüfung. Der alte Selengleichrichter (hatte ca. 40 Volt zu wenig Spannung am Ausgang) wurde ebenfalls ersetzt durch einen Siliziumgleichrichter inkl. eines 120 Ohm/25Watt Vorwiderstandes. Damit stimmen die laut Schaltplan vorgeschriebeben Spannungen sehr genau, ausgehend von den heutigen 230 Volt Netzspannung.
Und dann - Probelauf. Wichtig dabei: Das Radiochassis ist ein Nordmende Fidelo 57 mit Klangregister. Das Klangregister muss angeschlossen sein, sonst hört man nicht viel.
Alles schien gut. Bis ich Höhen- und Tiefenregler komplett reingedreht hahe. Dann gab es ein ohrenschmerzendes, schrilles Pfeiffgeräusch. Einen der beiden Regler leicht bewegt und alles war wieder gut. Wer predigt immer - neue Bauteile immer wieder dort hin montieren wo sich das alte auch befunden hat? Richtig. Ich....
Was war passiert? Nordmendetypisch gibt es auch hier den berühmten 0,01uF Konensator mit kombiniertem, innenliegenden 10 Mohm Widerstand. Zum Lautstärkepoti führt von eben dieser Kombi aus ein ca. 10 cm langer Draht. Genau diesen habe ich am Poti abgelötet und mit der neuen Kondensator/ Widerstandkombi einen neuen Verbindungsdraht zum Poti gelegt. Und genau diese Anschlussleitung habe ich...anders gelegt. Folge: Eine denkbar ungünstige, dichte "Paarung" mit einer anderen Leitung. Beide waren selbstverständlich isoliert, aber nur die Nähe reichte aus um unerwünschte Signale einzustreuen. Und diese wurden als lautes Pfeiffen wiedergegeben! Ein wenig Abstand zwischen den Leitungen und das Pfeiffproblem war behoben. Fazit: Richtige Teile, richtig angeschloßen aber falsche Position der Komponenten = kann zu deutlichen Störungen führen!
Danach war dann alles gut. Fast. Das Radio spielte nun störungsfrei und mit sehr gutem und reichhaltigem Empfang im Probelauf, aber es war extrem basslastig. Voll eingestellte Bässe schepperten doch ziemlich. Auch die "Zischlaute" ,besonders bei Sprachprogramm, waren ..... störend? auffällig? na, irgendwie war ich nicht zufrieden. Abhilfe brachte eine kleine Anpassung des Kathodenelkos der Endröhre. Dem vorausgehend wurden natürlich Widerstände, (Gitter)spannungen, Röhren, etc. überprüft. Von den ursprünglich verbauten (und schon gleichwertig ersetzten 100uF) tastete ich mich in kleinen Schritten wertabwärts. 47uF,33uF hin zu 22uF bis runter auf 10uF. Das beste Ergebnis welches klanglich sehr ausgewogen klang, erzielte ich mit 22uF. Dieser Wert wurde dann als Kathodenelko eingebaut und der neue 100uF Elko wieder entfernt. Wer jetzt sagt "Pfusch!!" - ich bleibe bei der Begrifflichkeit "Anpassung". Warum?
Beginnen wir mit mit dem, wie in den 50er Jahren und wie heute FM Radiosignale - UKW- gesendet werden. FM Radio wurde in Deutschland überhaupt erst Anfang der 50er Jahre "geboren". Wir reden also über FM Senden und Empfangen noch in "Kinderschuhen" als dieses Radio gebaut wurde. Seither hat sich vieles geändert. Wirklich nur grob zusammengefasst, gab es seither enorme Fortschritte in der Übertragungtechnologie, einhergehend mit deutlich höherer Sendeleistung. Das und anderes führte zu deutlich höherer Reichweite und natürlich zu einer spürbar verbesserten Klangqualität.
Was hat das mit dem angesprochenem Kathodenelko zu tun?
Dazu, ebenso grob beschrieben, was der Kathodenelko eigentlich im Röhrenradio macht.
Die Kathode der End(verstärker)röhre wird oft mit einem Widerstand auf Masse gelegt. Der Widerstand erzeugt einen Spannungsabfall, welcher widerum eine Gegenkoppng bewirkt. Diese Gegenkopplung reduziert jedoch u.a. die Verstärkungswirkung. Aus diesem Grund wird daher der Kathodenelko parallel zum Widerstand geschaltet. Damit schließt der Elko die Wechselspannung an der Kathode kurz, wodurch die Gegenkopplung für Wechselspannungssignale aufgehoben wird . Dies hat Auswirkungen auf den Frequenzgang, erhöht die Verstärkung und hat Einfluss auf den Klang.
Wenn man nun beide oberen Punkte gemeinsam betrachtet, kann man (manchmal) davon ausgehen, das ein damals verbauter 100uF Kathodenelko, die heutige Sendeleistung/technik etwas überverstärkt. Ein kann, kein muß und sicher auch immer Schaltungsabhängig von Radio zu Radio. In diesem Fall habe ich nach bestem Wissen und Gewissen alles andere ausgeschlossen. Und daher nenne ich die Reduzierung der Kapazität eine klanglich qualitative - Anpassung.
Nachdem ich nun rundum mit dem Radio zufrieden war, widmete ich mich jetzt dem Plattenspieler.
In dieser Truhe ist ein Philips AG1003D zu Hause. Zuerst wird das Tonabnehmersystem getestet. Wie bei diesen Jahrgängen üblich, gibt es auch hier ein Kristallsystem. Diese Kristalle können sich bei ungünstiger Lagerung (Feuchtigkeit) tatsächlich auflösen. In diesem Fall war es einwandfrei in Ordnung. Der Tonabnehmer enthält ,wie damals üblich, zwei Nadeln. Eine für "M"icrorille (Vinyl) die andere für "N"ormalrille (Schellack). Der Tonkopf kann auf seinem Halter zur jeweiligen Nadelwahl leicht nach links bzw. rechts gekippt werden. Die andere Nadel berührt die Schallplatte dann entsprechend nicht. Bei diesem AG1003 kann der gesamte Tonabnehmer einfach vom Tonarm abgezogen werden. Sehr praktisch beim Nadelwechsel.
Was am Radioteil recht dankbar instandzusetzen war, gab es dafür hier reichlich an Arbeit. Die Mechanik ist bei den alten Spielern, eigentlich immer, durch alte Schmierstoffe, völlig verharzt und dadurch schwergängig. Hier drehte sich die Antriebswelle jedoch keinen mm mehr. Auch die Mechanik der Automatikfunktion bewegte sich kaum noch.
Nun, das ist bei der Instandsetzung einfach die normale Fleißarbeit. Alles entfetten/säubern und neu, mit harzfreien Schmierstoffen, schmieren. So nötig wie zeitintensiv.
Das eigentliche Problem ist immer das Antriebsrad. Dieses schaltet auf die Antriebswelle des Motors, drückt gleichzeitig an die Außenseite des Plattentellers und treibt diesen an. Wenn's denn noch in Ordnung ist und das ist selten der Fall. Das Problem: Das Antriebsrad ist aus Gummi. Und dieses härtet im laufe der Zeit einfach aus. Es wird spröde, hart, rissig. Das Rad in diesem Plattenspieler belegt bei mir den ersten Platz in Sache "unbrauchbar"! Das was mal Gummi war, war nun steinhart. Und inzwischen so geschrumpft, das dass Gummi schon lose über die Metallhalterung rutschte. Darüber hinaus noch versehen mit Dellen - Druckstellen welche die Antriebswelle dort verewigt hat. Übrigens: Um genau solche Druckstellen zu vermeiden, sollte bei Nichtgebrauch des Plattenspielers grundsätzlich immer der Geschwindigkeitsregler so eingestellt werden, das die Antriebswelle nicht auf dem Antriebsrad liegt. Gilt im Grunde für all die alten Schätzchen. Manchmal liegt die Neutralposition einfach zwischen den Geschwindigkeiten. Beim AG1003 gibt es sogar eine Position "0". Schon in der Bedienungsanleitung findet man hier den Hinweis bei Nichtgebrauch dieses Position zu wählen.
In dem Fall bin ich sicher, wurde die Bedienungsanleitung nach dem damaligen Neukauf nie gelesen. Denn der Plattenspieler hatte auch noch die Originalschrauben der Transportsicherung. Wann immer der gespielt hat, eine Federung hatte er dadurch nie.
Also, das Antriebsrad war, ohne wenn und aber, Kernschrott. Was tun? Ein Schlachtgerät wird wohl kaum ein besseres Innenleben haben. Eine potentiell gute Lösung wenn es um den Motor o.a. geht, aber nicht für das Antriebsrad. Bleibt nur eine Möglichkeit - neu gummieren. Das mache ich nicht selber, habe aber eine Quelle die das exellent macht. Also die Radeinheit ausgebaut, eingeschickt und das Ergebnis - perfekt!
Nach der Wiederbelebung des Antriebsrades und der gründlichen Säuberung/Neuschmierung, gibt es wieder ordentlich Grip und leichtgängigkeit und der Spieler wird wieder auf Jahre seinen Dienst vorbildlich verrichten. Eine neue Nadel für Vinyl bekam er auch noch spendiert. In noch ausgebautem Zustand gab es auch hier erst mal einen ausgiebigen Probelauf. Die vorgesehenen, mechanischen Möglichkeiten wie automatischer Stop nach Plattenende, Aufsetzpunkt des Tonarms, u.a. funktionierten ebenfalls wieder einwandfrei.
Was nun noch fehlte, war der Bluetoothadapter. Das Problem wenn es nur einen TA-Eingang gibt ist, das Plattenspieler und Bluetooth an den gleichen Eingang angeschlossen werden müssen. Wenn man dies macht, hört man von Bluetooth gar nichts und von Platte fast nichts. Es bedarf hier einer kleinen und jederzeit reversiblen Zusatzschaltung. Jeweils in die Signalleitungen wird zusätzlich ein Schalter eingebaut. NICHT in die Masseleitung, das würde zu einem starken Brummproblem führen! So kann das Signal des gerade nicht genutzte System getrennt werden. Wichtig: Die zusätzlichen Leitungen zu den Schaltern müssen abgeschirmt werden, die Schirmung widerum einseitig auf Masse gelegt werden. Sonst hat man ebenfalls ein enormes Brummproblem. So gelöst, geht dann auch Plattenspieler und Bluetooth über nur einen Eingang. Die Schalter selbst, habe ich im Plattenspielerfach mittels Klebepads beestigt.
Vor dem Einbau beider Geräte, gab es natürlich noch eine gründliche Innenreinigung der Truhe. Sehr schön übrigens auch - dankenswerterweise hat man hier darauf verzichtet Elektrostaten einzubauen. Diese sind heute meist defekt und klingen auch funktionierend vergleichsweise bescheiden. Hier wurden seitlich "richtige" und gut klingende Lautsprecher verbaut.
Das ganze Paket war wieder mal ein nettes Stück Arbeit. Ein mir wohlbekanntes Radiochassis, ein mir bisher nicht bekannter Plattenspieler und allzu bekannte und gleichzeitig immer wieder unbekannte Ausflüge in Zeiten alter, nachträglich gestalteter Elektroinstallation.
Am Ende steht ein wunderschönes, voll umfänglich funktionierendes und wieder betriebssicheres Musikmöbel aus dem Jahr 1956 / 1957 welches einfach Spaß macht!
Bericht Ende.